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Pyramiden und Oliven

Anleger sind gut beraten, sich den Sonntag, 23. Oktober 2022 im Gedächstnis zu halten. Denn dieser Tag markiert den Anfang vom Ende der großen Zuwachsraten in der Erfolgsgeschichte des chinesischen Wirtschaftswunders. Gleichzeitig können einige Politiker und Wirtschaftsführer in USA und Europa aufatmen: Die Gefahr, dass China Amerika technologisch überholt, ist seit diesem Tag vom Tisch. Denn an diesem Tag hat der chinesische Staats- und Parteichef Xi Jinping sich eine 3. Amtszeit als Alleinherrscher genehmigt und damit die Regeln gebrochen, die dem inzwischen immerhin 43jährigen kometenhaften Aufschwung zugrunde lagen.

Der Steinzeitkommunismus von Mao Tse Tung ließ schätzungsweise 50 Millionen Menschen verhungern. Die Nachfolger hatten erkannt, welches Unglück Alleinherrschaft anrichtet und haben ein System von Cheques and Balances eingeführt. Aus guten Gründen wurde die Amtszeit des Staatschefs auf 2 Perioden begrenzt. Gleichzeitig sollte die Basis für massenhaften Wohlstand geschaffen werden nach den Entbehrungen und Verwüstungen der Mao Ära. Jeder sollte die Chance haben, finanziell und gesellschaftlich aufzusteigen. Damit sich kein Parteichef zu lange festsetzen und das System zu seinen Gunsten verbiegen könnte, wurde die Amtszeit, ähnlich wie in USA und Frankreich, auf 2 Amtsperioden begrenzt. Die Einführung der unternehmerischen Freiheit und der Aufruf an Alle, sich Wohlstand zu erarbeiten, führte zu einigen spektakulären großen Vermögen an der Spitze einer Pyramide und breitem Wohlstand darunter. Jeder kennt die großen Unternehmen wie Baidu, Alibaba und Tencent, die in sehr kurzer Zeit zu Milliardenunternehmen angewachsen sind.

Dann ging vor einigen Jahren in der kommunistischen Partei die Angst um, dass die neuen großen Unternehmer eines Tages das Machtmonopol der KP in Frage stellen und vielleicht sogar freie Wahlen nach amerikanischem und europäischem Vorbild fordern könnten. Die KP wollte die Abkehr vom Bild der Pyramide und eine gleichmäßigere Vermögensverteilung erreichen mit weniger Reichtum an der Spitze und einer breiteren Verteilung darunter, so wie etwa eine Olive aussieht. Wir kennen dieses System seit bald 75 Jahren, es heißt soziale Marktwirtschaft und wurde von Konrad Adenauer und Ludwig Erhart eingeführt. Das Konzept, dem Deutschland ebenfalls seinen Aufstieg aus der totalen Zerstörung verdankte, gilt als Erfolgsmodell.

So weit die gute und besonders aus deutscher Sicht unterstützenswerte Konzeption. Die chinesische KP hat dieses System aber nicht richtig verstanden. Statt einer wirtschaftsliberalen Ordnung, bei der sich der Staat aus den Entscheidungen der Unternehmen heraushält, möchte die chinesische KP alle Bereiche des Wirtschaftslebens und der Gesellschaft durchdringen und kontrollieren. Dies bedeutet eine sehr starke Einschränkung der unternehmerischen Aktivitäten, nicht nur der großen und bekannten Unternehmen, sondern aller privaten Unternehmen. Die staatlichen Unternehmen hängen sowieso an den Befehlsstrukturen der Regierung, abzulesen an ihren Aktienkursen. Dementsprechend haben auch die Kurse der großen und bekannten chinesischen Privatunternehmen auf die regelwidrige dritte Amtszeit von Präsident Xi Jinping reagiert: Der chinesische Hang Seng Index fiel am Montag nach dem Parteitag um 6 % auf einen neuen 13-Jahres Tiefstand. Die großen Technologieunternehmen wie Baidu, Alibaba und Tencent fielen zwischen 11 und 13 % an diesem Tag.

Wenn sich ein Staatschef gegen die Regel eine 3. Amtszeit genehmigt um sich zum Alleinherrscher aufzuschwingen, um sich mit seinem Programm und seinen Leuten die Wirtschaft unterzuordnen, wird dies unternehmerische Initiative als Schlüssel des Erfolgs lähmen. Ein solches System wird kaum technologische Höchstleistungen auf Anordnung der Partei- und Staatsführung hervorbringen. Wir wissen aus den Erfolgsgeschichten der großen Digitalunternehmen in USA, dass nur relativ freies Unternehmertum Höchstleistungen vollbringt, die dieses Land dann an die Weltspitze befördern. Damit ist noch nicht der Abstieg eingeläutet; ein derartiges Staats- und Wirtschaftssystem wird jedoch kaum neue technologische Höchstleistungen vollbringen. Der Systemwettbewerb ist damit entschieden. Anleger sollten sich deshalb von China verabschieden und in der Amtszeit von Präsident Xi Jinping kein neues Geld in chinesische Aktien investieren.

Dr. Georg Thilenius

Der Autor ist geschäftsführender Gesellschafter der bankunabhängigen Vermögensverwaltung Dr. Thilenius GmbH in Stuttgart. Das Unternehmen unterliegt der BaFin.

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