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Der Neue ist wieder der Alte

Zur Freude aller Marktteilnehmer bekommt der FED-Chef Powell eine zweite Amtszeit zugestanden. Derartige politische Entscheidungen sind im Vorfeld oft mit vielen Unsicherheiten behaftet. So war die Erleichterung groß, dass Präsident Biden hier für Kontinuität gesorgt hat. Powell hat in seiner ersten Amtszeit einen sehr guten Job gemacht. Insbesondere hat er nach der völlig unerwarteten  Coronakrise im Frühjahr letzten Jahres die Wirtschaft sehr schnell wieder auf die Beine gestellt. Die Rezession des Jahres 2020 war die kürzeste der neueren Geschichte, ebenso die Einbrüche an der Börse im Frühjahr 2020. Heute ist das Kursniveau von vor Corona längst wieder erreicht. Dies war eine gewaltige Leistung. Die Herausforderung seiner zweiten Amtszeit könnte aber noch wesentlich größer werden.

Denn jetzt geht es darum, zunächst die Anleihekäufe durch die FED zu beenden und danach in den Abbau der Staatsschulden einzusteigen. Zur Bekämpfung der Inflation werden ab 2022 auch Zinserhöhungen vorzusehen sei. Dies muss alles mit sehr viel Augenmaß umgesetzt werden. Dies ist jedoch nur die eine Hälfte der Kunst, die andere Hälfte der Kunst ist, die Märkte rechtzeitig auf die bevorstehenden Veränderungen aufmerksam zu machen, damit sie sich rechtzeitig darauf einstellen können. Dies muss vorsichtig geschehen, denn jede überhastete Ankündigung kann zu volkswirtschaftlich sehr unerwünschten Panikreaktionen an den Märkten führen.

Powell hat vor Augen, wie die FED in einer ähnlichen Lage nach dem 2. Weltkrieg agiert hat. Damals betrugen die Staatsschulden ebenfalls über 100 % der Wirtschaftsleistung wie heute, natürlich unter Einschluss des großen Marshall-Plan Hilfsprogramms für Europa. Die Ausgangssituation ist heute also ähnlich wie damals. In der Nachkriegszeit ließ man dann die Inflation mit Raten bis zu 4 % laufen. Dadurch reduzierte sich die Schuldenlast bis Anfang der 70er Jahre auf sehr komfortable ungefähr 25 % des Bruttosozialproduktes. Diese laxe Geldpolitik führte allerdings in den 70er Jahren zusammen mit dem Schock der 1. und 2. Ölkrise zu einer Phase stark zunehmender Inflation mit Raten bis zu 7 % und darauf folgend starken Zinserhöhungen. Im Jahr 1981 betrug die Prime Rate, zu der die Banken Kredite an erstklassige Schuldner vergaben, 21 %. Die Folge waren sehr viele Unternehmenszusammenbrüche und großer Schaden für die Volkswirtschaft.

So weit wird es Powell nicht kommen lassen, obwohl die Versuchung natürlich groß sein wird, durch Verschieben von Zinserhöhung und Laufenlassen der Inflation die Schulden des Staates und natürlich auch vieler Unternehmen abzubauen. Hier wird sehr viel verantwortungsvolles Fingerspitzengefühl gefragt sein.

Die Aktienmärkte können auf kleinere Veränderungen der Geldpolitik mit großen Rückschlägen, aber natürlich mit ebenso gefährlicher Euphorie antworten wie zuletzt im Jahr 1999.

Aktionäre können sich an der historischen Erkenntnis festhalten, dass zwischen ungefähr 1945 und 1970 bei den Aktienmärkten ein realer Ertrag, also nach Inflation, von ungefähr durchschnittlich 10 % p.a. anfiel. Die 70er Jahre bis 1982 waren hingegen eine Phase der Stagnation. So lange also die Inflation bei ungefähr 2 bis 3 % und die kurzfristigen Zinsen etwas darüber liegen, droht keine größere Gefahr für die Aktienmärkte. Engagements sollten daher mit einem wachsamen Auge aufrecht erhalten werden.

Dr. Georg Thilenius

Der Autor ist geschäftsführender Gesellschafter der bankunabhängigen Vermögensverwaltung Dr. Thilenius GmbH in Stuttgart. Das Unternehmen unterliegt der BaFin.

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