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Fleißige Deutsche?

Wenn man sich im Ausland umhört, gelten die Deutschen als besonders fleißig und akurat. Wenn man nach einer geographischen Einordnung fragt, gelten natürlich die Schwaben als besonders fleißig. Berlin gilt dem gegenüber nicht als ein Hort des Fleißes. Hier wird eher auf großem Fuß gelebt und die Lasten daraus werden dann auf künftige Generationen verschoben. Auch die Verwaltung soll nicht ganz so reibungslos laufen wie an anderen Orten. Der ewige Streit um den früheren Länderfinanzausgleich über 30 Jahre seit der Wiedervereinigung liefert viele Beispiele. Allerdings scheint Berlin jetzt in einigen Kategorien weit nach vorne zu rücken. Vor allem die Wahlbeteiligung in einigen Bezirken bei der gerade abgehaltenen Senatswahl zeichnet ein Bild großen Fleißes.

Während die Wahlbeteiligung bei wichtigen Wahlen in der Regel um die drei Viertel der Stimmberechtigten liegt, haben in Berlin in einigen Bezirken sogar bis zu 150 % der Wahlberechtigten abgestimmt. Dies zeigt uns zunächst eine große Reife der repräsentativen Demokratie. Alle Untergangsszenarien über eine Krise des politischen Systems, die Verrohung der Sitten, Einschüchterung der Wähler und vieles andere sind damit natürlich obsolet. Wie diese hervorragende Wahlbeteiligung zustande kam, wissen wir noch nicht. Wurden vielleicht die Hunde im Wahllokal zu vorgerückter Stunde mitgezählt? Oder wollte vielleicht manch Einer ganz sicher gehen, dass seine Stimme auch mitgezählt wird und ist deshalb nochmal ins Wahlllokal gegangen um nochmal abzustimmen?

Dieses Ergebnis ist auch von historischer Perspektive interessant: Walter Ulbricht, Erich Honecker und Co. haben natürlich auch Wahlen abgehalten. Dort kam die SED regelmäßig auf etwa 97 % der Stimmen, manchmal ein bißchen mehr, ein bißchen weniger. Aber wir haben nie gehört, dass Erich und Co. eine Wahlbeteiligung von 150 % angeordnet hätten.

Nicht einmal Präsident Putin hat bei der kürzlichen Dumawahl eine Wahlbeteiligung von über 100 % angeordnet. Diese hohe Wahlbeteiligung muss also irgendwie mit der Berliner Luft zusammenhängen.

Wir freuen uns jedenfalls, dass es in Berlin so viele überzeugte Demokraten gibt, die vielleicht sogar zusammen mit ihren vorher unpolitischen Hunden eine solche Wahlbeteiligung zustande gebracht haben.

Auch die Bildung der neuen Bundesregierung verspricht ein solide Mehrheit für ein allgemein akzeptables Regierungsprogramm. Der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes würde eine Senkung der Arbeitskosten und der Bürokratiekosten sehr gut tun. Eine Steuerreform mit geringerer Belastung steht in den Sternen und Bürokratieabbau ist schon sehr oft versprochen worden. Statt dessen werden alle Betriebe mit regelmäßig neuen mehr oder weniger sinnvollen Vorschriften überzogen. Damit dürften die nächsten 4 Jahre nicht wesentlich anders als die letzten 4 Jahre verlaufen. Einige Korrekturen sind sicher zu erwarten, werden aber keinen maßgeblichen Einfluss haben.

Damit dürfen die deutschen Unternehmen also weiterhin fleißig sein, auch wenn sie nicht an die Spitzenleistungen der Wähler in einigen dieser Berliner Bezirke herankommen.

Das bedeutet, dass die Umsatz- und Ertragsentwicklung der neuerdings 40 DAX-Unternehmen einigermaßen prognostizierbar bleibt. Allerdings haben die 10 neuen DAX-Mitglieder durchschnittlich eine sehr viel höhere Umsatzdynamik und damit auch Ertragsdynamik als die bisherigen 30 Mitglieder. Daher ist tendenziell eine stärkere Zunahme der DAX 40 Gewinne in den nächsten Jahren zu erwarten, als bei einer Weiterführung des DAX 30. Vor diesem Hintergrund ist das aktuelle DAX KGV für das Jahr 2022 von 14 recht günstig. Die Kursschwäche der letzten Wochen ergibt jetzt eine gute Einstiegsgelegenheit für mittelfristige Investoren. Zum Jahresende sollte der DAX die 16.000 Punkte vom Sommer wieder sehen. Wer breit basiert in den jetzt dynamischeren DAX einsteigen möchte, ist mit den diversen ETFs nach unserer Meinung gut beraten. Allerdings sollte wegen der immanenten Schwankungen der Aktienmärkte und des noch unsicheren Ausblicks für die Zeit nach Corona mit größeren Schwankungen gerechnet werden. Deswegen ist eine Mindesthaltedauer für Aktienengagements bei 3, besser 5 Jahren zu sehen.

 

Dr. Georg Thilenius

Der Autor ist geschäftsführender Gesellschafter der bankunabhängigen Vermögensverwaltung Dr. Thilenius GmbH in Stuttgart. Das Unternehmen unterliegt der BaFin.

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